Deutsche Autobauer - Hoffen und Bangen vor der Wahl
22. Januar 2025Die deutsche Autoindustrie steckt in großen Schwierigkeiten und schaut gebannt auf den Ausgang der vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar. Die Volkswirtschaft macht eine Rezessionsphase durch - und die bis vor kurzem regierende sogenannte Ampelkoalition (Sozialdemokraten, Grüne, liberale FDP) wird für einige Missstände direkt verantwortlich gemacht.
Förderung für Elektro-Autos?
Ein Knackpunkt für alle Autobauer ist die Abkehr vom Verbrennermotor und die Einführung alternativer Antriebsmodelle. Wie viele Experten beobachtet auch der unabhängige Analyst Jürgen Pieper aus Frankfurt eine anhaltende Verunsicherung von Autobauern und Kunden. Hauptverantwortlich dafür sei, dass es "keine klare Linie bei der E-Mobilität" gebe. Erst habe die Politik E-Auto-Käufe gefördert, dann aber die Kaufprämien abgeschafft.
Auch Dirk Dohse vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) beklagt der DW gegenüber das "Hin und Her bei der staatlichen Förderung von Elektroautos". Besonders die "kurzfristige Abschaffung des sogenannten Umweltbonus im Dezember 2023" habe zur Verunsicherung beigetragen. Außerdem leide die Industrie unter "hohen Energiekosten und überbordender Bürokratie."
Auf die Frage, was den deutschen Autobauern am meisten zu schaffen macht, antwortete der Branchenverband VDA (Verband der Deutschen Automobilindustrie) mit dem Hinweis auf ein grundsätzliches Problem: die Schwäche des Industriestandortes. Dadurch schwinde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Der Trend sei dabei besonders besorgniserregend: "In internationalen Standortrankings wird Deutschland regelmäßig (nach unten) durchgereicht."
Energie ist zu teuer
Die Frage, wie attraktiv Deutschland ist als Standort für die Industrie, ist für den Lobbyverband entscheidend. Der VDA fordert daher, dass "Berlin und Brüssel den deutschen Standort wieder an die weltweite Spitze führen müssen". Dafür brauche es "günstige Energie, weniger Regulierung und Bürokratie sowie ein konkurrenzfähiges Steuer- und Abgabensystem", so der Verband zur DW.
Den Einfluss der Europäische Union beobachtet auch IfW-Ökonom Dirk Dohse: "Die Klimavorgaben kommen von der EU, und die Bundesregierung hat da nur begrenzten Einfluss."
Darüber hinaus sieht er auch eine gewisse Mitschuld der Industrie an der gegenwärtigen Krise: "Notwendige Strukturanpassungen wurden zu lange hinausgezögert, so dass die Gewinnmargen stark geschrumpft sind. Deutsche Unternehmen haben sehr lange gebraucht, um sich mit starken Software-Partnern zusammenzuschließen." Das Ergebnis: Die deutschen Autobauer "haben keinen wirklichen 'Renner' auf dem Markt für Elektroautos".
Mehr Ladesäulen
Für Dirk Dohse ist klar: "Prioritär sind ein zügiger Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur und Planungssicherheit für die Käufer von Elektroautos." Man könne immer streiten, ob Kaufprämien für E-Autos sinnvoll seien, aber auf jeden Fall "sollten die Regeln klar und transparent sein und für einen gewissen vorgegebenen Zeitraum gelten". Und dann müssten sie auch zuverlässig gewährt werden und nicht einfach wieder kassiert werden können: "Änderungen je nach Kassenlage sind zu vermeiden."
Eine "klare Linie bei den neuen Technologien, die dann durchgehalten wird", fordert auch Jürgen Pieper. Dabei dürfe man aber auch nicht zu viel reglementieren, sondern müsse offen bleiben für verschiedene technologische Lösungen. Die Politik solle "präzise quantifizierte Ziele setzen, aber den Weg dahin der Industrie überlassen".
Das Auto und die Politik
Die Verbindung zwischen Autoindustrie und Politik sind eng, nicht nur auf Bundesebene. Besonders in der Landespolitik bestehen große Abhängigkeiten. So sind die Autobauer - bis hinunter auf die Kommunalebene - auf günstige Steuer- und Abgabentarife angewiesen. Und für die Landespolitik sind die Arbeitsplätze, die die Branche bietet, sehr wichtig und schützenswert.
In Niedersachsen, wo die SPD-geführte Landesregierung in Hannover sogar im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt, ist diese Verbundenheit offensichtlich. Aber auch in Baden-Württemberg unter Ministerpräsident Kretschmann von den Grünen (mit dem Branchenriesen Mercedes und dem Sportwagenbauer Porsche, der zur VW-Familie gehört) und in Bayern, das seit Jahrzehnten von der konservativen CSU regiert wird, mit Audi in Ingolstadt (ebenfalls eine VW-Marke) und BMW in München sind die Vernetzungen engmaschig.
Wegen der föderalen Struktur der Bundesrepublik und der gegenseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung von Bund, Ländern und Kommunen, hat der Ausgang von Wahlen - egal auf welcher Ebene - immer auch Bedeutung für die Autoindustrie. Deshalb kann es sich kein Autobauer leisten, Politiker zu ignorieren. Gleichzeitig müssen die Konzerne auch für alle politischen Optionen offen bleiben, um bei jedem Wahlausgang ihren Einfluss geltend machen zu können.
Und wieder: Die Angst vor Trump
Über eine neue oder eine andere Industriepolitik wird aber nicht nur in Berlin und Brüssel entschieden - das ist allen Beobachtern klar. Einen großen Einfluss werde auch die Politik der nächsten US-Regierung haben, sagt Jürgen Pieper: "Angesichts der wirtschaftlichen Krise und des zu erwartenden Drucks durch die Trump-Regierung (Androhung von hohen Zöllen), dürfte die neue Bundesregierung das Leben der deutschen Autoindustrie zu erleichtern versuchen." Dann könne es zu einer "Verschiebung des Verbrennerverbotes für Neuzulassungen" kommen oder zur Wiedereinführung von "Kaufprämien für E- und Hybridautos."
Dass es ab März eine neue Industriepolitik in Deutschland geben wird, ist für den unabhängigen Analysten Jürgen Pieper genauso wenig vorhersehbar wie das Wahlergebnis selbst. Der DW sagte er: "Es wird ja sehr wahrscheinlich eine CDU/CSU-SPD- oder eine CDU/CSU-Grüne-Koalition geben. Im ersterem Fall dürfte das für 2035 avisierte Aus der Verbrenner aufgeweicht werden Richtung 2040, bei der Variante 'Schwarz/Grün' eher nicht."