1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikBelarus

Welche Rolle spielt Nikolai Lukaschenko in Belarus?

Alexandra Boguslawskaja
12. Januar 2025

Machthaber Alexander Lukaschenko nannte seinen Sohn Nikolai einst "den wichtigsten Oppositionellen" in der Familie. Dieser bezeichnete sich jüngst als "Kopie seines Vaters". Wird er auf eine Machtübernahme vorbereitet?

https://p.dw.com/p/4p1Zw
Nikolai und Alexander Lukaschenko in St. Petersburg im Dezember 2022
Nikolai und Alexander Lukaschenko in St. Petersburg im Dezember 2022Bild: Peter/Kovalev/Tass/picture alliance

Alexander Lukaschenkos jüngster Sohn, der 20-jährige Nikolai, taucht immer häufiger in den belarussischen Medien auf. Er ist nicht mehr das Kind, das seinen Vater auf offiziellen Reisen begleitet, sondern mittlerweile jemand, der das politische Geschehen beeinflusst.

Derzeit reist Nikolai Lukaschenko durch das ganze Land und spielt Klavier bei Konzerten im Rahmen eines "Einheitsmarathons", einer Propagandaveranstaltung zur Nominierung von Alexander Lukaschenko für eine weitere Amtszeit, der Belarus schon seit über 30 Jahren regiert. Am 26. Januar soll in Belarus eine vorgezogene Präsidentenwahl abgehalten werden. Im Vorfeld dieser Wahlen ist Nikolai Lukaschenko auch in den belarussischen Staatsmedien immer öfter zu sehen.

Als Wolodymyr Selenskyj Anfang dieses Jahres erklärte, Lukaschenko habe sich im Frühjahr 2022 für den Beginn von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine entschuldigt, erklärte dessen Pressesprecherin Natalia Eismont, dass dies ausschließlich "einer emotionalen Reaktion" seines Sohnes Nikolai geschuldet sei. Der Sprecherin zufolge ist Selenskyjs Nummer sogar unter den persönlichen Kontakten in Nikolai Lukaschenkos Telefon gespeichert. Sein Vater hatte russischen Truppen das Territorium von Belarus für die Invasion der Ukraine zur Verfügung gestellt.

Von klein auf bei Staatsbesuchen dabei

Erstmals trat Nikolai Lukaschenko 2008 im Alter von fast vier Jahren in der Öffentlichkeit auf. Damals nahm er gemeinsam mit seinem Vater an einem "landesweiten Putztag" auf der Baustelle der Minsk-Arena teil. Erst später teilte Lukaschenko mit, dass Nikolai sein dritter Sohn sei. Über die Mutter des Jungen wurde lediglich berichtet, sie sei Ärztin. In Belarus ist ihr Name jedoch ein offenes Geheimnis. Irina Abelskaja leitet das Gesundheitszentrum, in dem sich die Führung des Landes medizinisch behandeln lässt.

Alexander Lukaschenko mit seinen Söhnen Viktor, Nikolai und Dmitri im Jahr 2019 bei der Niederlegung von Blumen in Minsk
Alexander Lukaschenko mit seinen Söhnen Viktor, Nikolai und Dmitri im Jahr 2019Bild: Natalia Fedosenko/ITAR-TASS/imago images

Lukaschenko nahm seinen jüngsten Sohn von klein auf überallhin mit - auf Reisen durch das Land und zu offiziellen Besuchen im Ausland. Schon als Kind traf Nikolai den US-Präsidenten Barack Obama, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, Papst Franziskus und andere führende Persönlichkeiten der Welt.

Im Juni 2022 machte er seinen Schulabschluss und begann ein Studium an der Belarussischen Staatlichen Universität - an einer speziell für ihn eingerichteten Abteilung für "Biotechnologie". Sein Vater sagte, sie sei gemeinsam mit der Universität Peking geschaffen worden und Nikolai werde Diplome beider Hochschulen bekommen.

Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen

Bei den Massenprotesten 2020, die sich gegen die Fälschung der damaligen Präsidentenwahl durch Alexander Lukaschenko richteten, präsentierte sich der 16-jährige Nikolai zusammen mit seinem Vater in voller Montur mit einem Maschinengewehr. Später war er bei Verhören des oppositionellen Politikers Viktor Babariko und anderen politischen Gefangenen im Untersuchungsgefängnis des belarussischen Geheimdienstes zugegen.

Zum vierten Jahrestag der Wahlen setzte Kanada im August 2024 mehrere Personen auf eine Sanktionsliste, darunter Nikolai Lukaschenko. Die Regierung in Ottawa reagierte damit auf die schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen im Anschluss an jene Wahlen.

Nikolai Lukaschenko gab im November 2024 den belarussischen Staatsmedien ein Interview, in dem er erklärte, er sei wie sein Vater: "Manche sagen, ich sei anders als mein Vater, aber sie kennen entweder mich nicht oder meinen Vater nicht. Ich kann kein Oppositioneller gegenüber dem Staat sein, gegenüber dem Staatsoberhaupt, denn ich bin eine absolute Kopie von ihm."

Neupositionierung in den Medien

Bereits 2007 hatte Alexander Lukaschenko, um den ein Personenkult herrscht, angedeutet, er werde seinen jüngsten Sohn als Nachfolger aufbauen, weil er "einzigartig" sei. In letzter Zeit spricht der belarussische Machthaber häufig von einem notwendigen Generationswechsel. "Wir müssen unsere Kinder vorbereiten, die Belarus übernehmen, schützen und schätzen werden", erklärte er am 7. Januar bei einem Kirchenbesuch in der Stadt Logoisk unweit der Hauptstadt Minsk.

Alexander Lukaschenko mit seinem Sohn Nikolai bei der Stimmabgabe vor Wahlrunen bei den Parlamentswahlen 2024
Alexander Lukaschenko mit seinem Sohn Nikolai bei den Parlamentswahlen 2024Bild: Natalya Talanova/Tass/picture alliance/dpa

"Lukaschenko träumt davon, dass Nikolai sein Nachfolger wird und er macht daraus gar keinen Hehl", sagt Fjodor Pawljutschenko, Chefredakteur des Nachrichtenportals Reform.news und Leiter eines YouTube-Projekts, das Lukaschenko kritisch unter die Lupe nimmt. "Nikolai ist nun erwachsen und seine Medienaktivitäten deuten auf eine Neupositionierung hin", sagt Pawljutschenko. Er werde als Lukaschenkos Kopie präsentiert, als jemand, der sein Nachfolger werden könne, so der Journalist. Dies werde die Propaganda nun den Belarussen in die Köpfe einhämmern.

Nur Wahlkampfhilfe für den Vater?

Der Politologe Waleri Karbalewitsch meint dagegen, dass es sich bei der gesteigerten Medienpräsenz von Nikolai Lukaschenko lediglich um Wahlkampfhilfe für seinen Vater handele. An irgendwelche politischen Pläne für Nikolai Lukaschenko glaubt er nicht. "Die Frage einer Nachfolge steht immer erst dann auf der Tagesordnung, wenn ein Staatschef abtritt. Aber Lukaschenko hat gar nicht vor, abzutreten", so Karbalewitsch.

Alexander Lukaschenko mit seinem Sohn Nikolai an einem Tisch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi im Mai 2021
Alexander Lukaschenko mit seinem Sohn Nikolai beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi im Mai 2021Bild: picture alliance/dpa/TASS

Zudem müsse eine Person, um einen Machtanspruch erheben zu können, eine wichtige Position innehaben. Karbalewitsch zieht Vergleiche zu anderen postsowjetischen Staaten, in denen Söhne ihre Väter an der Spitze des Staates beerbt haben. So habe in Aserbaidschan Ilham Alijew zuvor eine bedeutende Ölgesellschaft geleitet und in Turkmenistan sei Serdar Berdimuhamedow ebenfalls in wichtigen Positionen gewesen, bevor er Präsident wurde.

Karbalewitsch weist darauf hin, dass in Belarus Lukaschenkos ältester Sohn Viktor nur das Nationale Olympische Komitee, eine gesellschaftliche Organisation, leitet, und Nikolai Lukaschenko gar keinen Posten besetzt. Daher erkennt Karbalewitsch nichts, was auf einen Machtwechsel hin zu einem von Lukaschenkos Söhnen hindeuten würde.

"Man wird aus ihm einen Prinzen machen"

Fjodor Pawljutschenko hingegen glaubt, Nikolai Lukaschenko brauche keine Posten. Sein Vater habe inzwischen "einen ganzen Clan" um seinen jüngsten Sohn aufgebaut. "Man wird aus ihm einen Prinzen machen, eine Gottheit, der von Natur aus alles gegeben ist, was viele erst durch eine politische Karriere erwerben", sagt der Journalist, fügt aber hinzu, dass Nikolai Lukaschenkos größtes Manko sein junges Alter sei. Es sei ein Wettlauf gegen die Zeit, da unklar sei, wie lange Alexander Lukaschenko noch bis zu einer Machtübergabe durchhalten werde.

Pawljutschenko schließt nicht aus, dass Nikolai von seinen älteren Brüdern Viktor und Dmitri Konkurrenz bei einer Nachfolge ihres Vaters bekommen könnte. Doch fehle ihnen nach Ansicht des Journalisten das nötige Charisma: "Wenn sie vor Kameras auftreten, sieht man, dass sie die schlechteren Kopien ihres Vaters sind."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk