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Zaun, Stacheldraht, Wärmekameras: Polens Grenze zu Belarus

18. Januar 2025

Mit Investitionen in moderne Technik und robuste Anlagen versucht Polen, seine Grenze zu Belarus zu sichern. Im Frühjahr werden dennoch erneut mehr irreguläre Grenzübertritte erwartet.

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Mit Betonblöcken und Stacheldraht gesicherter Grenzabschnitt
Polen hat in den vergangenen Jahren massiv in die Anlagen an seiner Grenze zu Belarus investiert. Bild: Alexandra von Nahmen/DW

Dicke Betonklötze blockieren die Zufahrt zum Grenzübergang Połowce-Pieszczatka im Nordosten Polens. Jeder ist 1,7 Tonnen schwer. "Nicht einmal zwei Panzer könnten sie hier wegbewegen", sagt ein polnischer Grenzschützer - nicht ohne Stolz.

Zwischen die Betonsperren wurde jede Menge Stacheldraht gespannt. Dahinter liegt ein schmaler Weg, der sich entlang eines 5,5 Meter hohen Grenzzauns schlängelt. Kameras, Wärmesensoren, unterirdische Kabel - alles hochmodern. Offiziell kann hier niemand mehr die Grenze überqueren. Seit dem Sommer 2023 ist der Übergang geschlossen.

Ein Grenzzaun auf 186 Kilometern

Mit dem Bau des elektronisch überwachten Zauns, der sich über 186 Kilometer erstreckt, reagierte Polen auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen und Migranten, die seit August 2021 immer wieder versuchen, über die Grenze aus Belarus nach Polen kommen. Ermuntert und unterstützt vom Regime in Minsk, einem der engsten Partner Russlands.

Soldaten am hohen, stählernen Grenzzaun zu Belarus
Nach polnischen Angaben sind an dem Zaun insgesamt 5000 Kameras installiert.Bild: Alexandra von Nahmen/DW

"Die größte Bedrohung, mit der wir hier derzeit konfrontiert sind, ist die von Belarus orchestrierte irreguläre Migration", sagt Oberst Andrzej Stasiulewicz, stellvertretender Kommandeur der Podlaski Grenzschutz-Division. Die Menschen, die aus Afghanistan, Syrien oder Irak stammen, kommen legal in Belarus an. Für acht- bis zwölftausend US-Dollar werden sie dann an die Grenze zu Polen gebracht, um sie zu überqueren.

Will Belarus eine Eskalation?

Wie das praktisch funktioniert, zeigt der Grenzschützer anhand von Überwachungsvideos. Eines zeigt einen belarussischen Offizier, der nachts eine Gruppe von Menschen direkt an der Grenze aussetzt. An dieser Stelle gibt es nur Stacheldraht. Ein Fluss bildet dort eine natürliche Grenze zwischen den beiden Ländern.

Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie Menschen auf der belarussischen Seite Steine und brennende Äste auf den Grenzzaun werfen. "Belarus will, dass die Situation eskaliert", sagt Andrzej Stasiulewicz. "Wir wollen deeskalieren."

Soldat hinter Stacheldraht
Die Grenzschützer in Polen werden von der Armee unterstützt. Zeitweise waren hier an der Grenze zu Belarus bis zu 12.000 Soldaten im Einsatz. Bild: Alexandra von Nahmen/DW

Hilft der Zaun denn? Ja, sagen die polnischen Grenzschützer in Połowce. Sie loben auch die Pufferzone, die in der Grenzregion errichtet wurden. Das Ziel sei, Schmuggler daran zu hindern, mit ihren Autos nah an die Grenze zu kommen, um Migranten an vereinbarten Treffpunkten abzuholen.

Eine Pufferzone, die Hilfe verhindert?

Menschenrechtsorganisationen kritisieren jedoch, dass auch sie dadurch nur erschwerten Zugang zu denjenigen haben, die - verletzt oder krank - im Wald innerhalb der Pufferzone stranden und medizinische Hilfe benötigen.

Ein Zaun kann auch zersägt werden. Solche Versuche gibt es immer wieder. Brigadegeneral Robert Bagan, der Oberbefehlshaber des polnischen Grenzschutzes, nimmt eine kleine dünne Säge zur Hand - eine, die hier konfisziert wurde. Werden größere Geräte benutzt, die dazu noch batteriebetrieben sind, dauert es sechs bis acht Minuten, um den Zaun zu zerschneiden, sagt er.

Mit einer Säge gegen die Absperrung

Trotz der ständigen Modernisierung der Barrieren und Absperrungen versuchen nach wie vor viele Menschen, über die 247 Kilometer lange Grenze nach Polen zu gelangen. Im vergangenen Jahr ist die Zahl noch einmal gestiegen - auf fast 30.000 Menschen.

Polen/Belarus: Kalter Krieg oder humanitäre Katastrophe?

Mehr als 2685 Menschen haben nach offiziellen Angaben um Asyl in Polen gebeten. In Połowce haben sie ein Zentrum errichtet, um sie zu empfangen und ihre Anträge aufzunehmen. Sogar ein kleines Familienzimmer gibt es hier mit einer Spielecke. Die meisten, die hier ankommen, sind aber allein reisende Männer, heißt es.

"Grausam und gefährlich"

Organisationen wie Amnesty International werfen den polnischen Behörden vor, die Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten zu untergraben. Sie sprechen von sogenannten Pushbacks. "Es ist grausam und gefährlich und offensichtlich illegal, Menschen bei eisigen Temperaturen in dichte Wälder zurückzudrängen", erklärt Ruth Tanner, stellvertretende Regional-Direktorin von Amnesty Europa, gegenüber der DW. Polen sei nach internationalem Recht verpflichtet, die Fälle der Menschen individuell zu prüfen.

Eine Kritik, die die polnische Regierung ebenso wie die Grenzschützer im Nordosten des Landes zurückweisen. "Definieren Sie genauer, was Pushbacks sind", fragt Maciej Duszczyk, Staatssekretär im polnischen Innenministerium, zurück.

Zurück nach Belarus  

Brigadegeneral Bagan erklärt auf Nachfrage, dass jeder Grenzschützer verpflichtet sei, die Frage nach einem Asylantrag zu stellen. "Aber wenn die Menschen 'nein‘ sagen, weil sie in Polen gar nicht bleiben wollen, dann bringen wir sie zurück." Durch eine Tür im Grenzzaun werden sie wieder auf belarussisches Territorium entlassen. Anders ginge es auch nicht, sagt Robert Bagan. Mit den Behörden in Belarus sei schon seit Jahren keine Zusammenarbeit mehr möglich.

Robert Bagan im Tarnanzug
Brigadegeneral Bagan steht seit dem Januar 2024 an der Spitze des polnischen Grenzschutzes.Bild: Alexandra von Nahmen/DW

Bagan gibt zu bedenken: Wer zurückgeschickt wird, "versucht es bald wieder, solange das Geld ausreicht." Die Menge an Geld und das Wetter seien entscheidend. Im März, wenn es wärmer wird, erwarten die Grenzschützer wieder deutlich mehr Versuche, die Grenze zu überqueren.

Sie scheinen stolz auf ihren modernen Grenzzaun zu sein und sehen ihre Aufgabe als wichtigen Dienst - nicht nur für ihr Land, sondern auch für die gesamte Europäische Union.